Nicht immer sind es Wasservögel, die im Naturschutzgebiet auf sich aufmerksam machen. In diesen Tagen spielen Singvögel die erste Geige – Grünfinken, oder wie sie auch noch genannt werden: Grünlinge. Sie sind in großen Schwärmen eingetroffen und haben ein äußerst günstiges Nahrungsangebot in den Früchten der Kartoffelrose (Rosa rugosa) gefunden. In den reifen Hagebutten trennen sie das Fruchtfleisch von den Kernen, die auf ihrem Speisezettel stehen (Foto). In der Herbstzeit kann diesmal die Rosa rugosa sogar positiv punkten, denn ansonsten macht uns diese Strauchpflanze wegen ihrer Ausbreitung eher Kummer in den Schutzgebieten. Adäquate Sämereien finden die Grünlinge darüber hinaus auch beim Meersenf, der im Sommer durch seine blau-violetten Blüten am Strand auffällt.
Den stationären Aufenthalt der Singvögel nutzt in der Regel aber auch noch ein spezifisches Begleitpersonal in Form von wendigen Greifvögeln. Meistens sind dies Sperber. Diese Fressfeinde dezimieren die Bestände bereits im ersten Lebensjahr beträchtlich. Ringfunde belegen, dass Grünlinge immerhin schon mehr als 13 Jahre alt geworden sind.
Text & Fotos: Klaus Dürkop
Aller Aufwand war vergeblich: Die Brutinsel, die wir zum wiederholten Male im Frühjahr ausgebracht hatten, wurde auch in diesem Jahr leider nicht zu einem sicheren Brutplatz für die Fluss-seeschwalben. Zu viele Füchse trieben sich täglich in direktem Umfeld der Insel herum und ließen gar nicht erst einen Brutversuch zu. Nicht ein einziges Vollgelege wurde festgestellt, obwohl die Seeschwalben Anfang Mai immer wieder Nestmulden ausgescharrt hatten. Sie blieben leer.
Mitte Juni gaben die Seeschwalben diesen potenziellen Brutplatz auf. Zurzeit wird noch eine Alternative diskutiert, bei der die Brutinsel in einer Lagune mit einer größeren Wasserfläche eingebracht wird. Das hätte auf der einen Seite den Vorteil, dass zwischen den Füchsen auf dem „Festland“ und der Brutinsel eine breitere Wasserfläche wäre und die Flussseeschwalben sich sicherer fühlen könnten.
Auf der anderen Seite wäre dazu aber ein erheblich höherer Aufwand nötig, um die Brutinsel im freien Wasser zu verankern. Vielleicht sind diese Gedankenspiele ja aber auch gar nicht mehr notwendig, wenn die geplanten und vorgeschlagenen Maßnahmen seitens der Behörde für die neue Saison umgesetzt werden können. Solange sich aber noch positive Lösungen abzeichnen, werden die freiwilligen Helfer des NABU mit Hilfe des Treckergespanns von Landwirt Höppner aus Neuratjensdorf stets bereit sein, die notwendigen Hand- und Spanndienste zu leisten (siehe Fotos). Herzlichen Dank an das Graswarder-Team.
Drei Tage später holte Höpner junior mit einer größeren Helferschar die Rinder mit Viehanhängern zurück in den Heimatstall nach Neuratjensdorf). Bei der ersten Fuhre klappte alles vorzüglich, bei der zweiten gab es Stress: unser „Herrscher“ über seine 15 „Weiber“ (Ochse „Fiete“ aus Nordrhein-Westfalen) wollte partout nicht auf den Anhänger. Wer wollte ihm das auch verdenken. Ein freies Rinderleben auf saftigen Salzwiesen, ohne Gängelung und Enge gegen einen Aufenthalt in einem Viehstalls einzutauschen? Nur allzu verständlich! Letztlich musste er sich den Tricks der "Cowboys" aber geschlagen geben.
Text: Klaus Dürkop
Fotos: Klaus Dürkop & Anja Koch
Nach schon fast frostigen Nächten liegt frühmorgens nun wieder dichter Nebel über dem Graswarder. Zeit, um bei aufgehender Sonne auf dem Beob- achtungsturm die Seele ein bisschen baumeln zu lassen. Zeit, um der Natur in all ihrer Fülle Raum zu geben, Zeit, um sich von der Hektik, dem Stress und unangenehmen Ereignissen vergangener Monate zu erholen. Zeit, um wieder klaren Kopf für die Herausforderungen um Naturschutzbelange in und um Heiligenhafen zu bekommen. Zeit, um in diesen Tagen bei völliger Windstille der Natur mit Tautropfen an Strandhaferhalme fotografisch zu begegnen, den Rindern bei ihrer ersten Nahrungsaufnahme zuzuschauen oder der meisterhaften Konstruktion des Architekten Meinhard von Gerkan in aller Ruhe gegenüber zu stehen, dem Beobachtungsturm, der sich wie ein sitzender Vogel in der Lagune spiegelt.
Wirklich ruhig geht es in diesen Tagen dennoch nicht zu, denn wie aus dem Nichts erscheinen plötzlich in großer Höhe die ersten nordischen Gänse im Formationsflug am Himmel. Mit speziellen typischen Lauten weisen sie sich als Nonnengänse aus, die seit ihrem Erscheinen am 1. Oktober lautstark kundtun, dass der Herbst nicht mehr zu leugnen ist. Kette für Kette zieht in V-Formation über den Graswarder hinweg und spart so im Flug gut ein Drittel ihrer Energie ein. Fast 2.500 Individuen mögen es an diesem paradiesischen Morgen sein. Grandiose Erlebnisse, die ich jedem Heiligenhafener Bürger einmal gönnen möchte.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Strandflieder, Salzaster und Wiesenalant gehören zu den Spätblühern auf dem Graswarder und bilden mehr und mehr regelrechte Blütenteppiche. Unter ihnen hat auch der Strandflieder in seinem Bestand wieder einmal erfreulich zugenommen und bot sich in diesem Jahr förmlich als Insektenweide an. Doch Schmetterlinge, Bienen und Hummeln blieben weitgehend aus. Welche Gründe dafür vorliegen, kann mir zur Zeit noch keiner sagen. Von der Gattung Strandflieder gibt es weltweit über 100 Arten, in Deutschland aber nur den gewöhnlichen Strandflieder (Limonium vulgare).
Auch bei den Salzastern bot sich das gleiche Bild. Keine Kleinen Füchse, keine Schwebfliegen, keine Salzasterläuse, keine Zuckerwasser suchenden Ameisen an ihren Stengeln. Ein trostloser Anblick. Die Frage sei gestattet, ob etwa auch hier an der Küste das Ausbringen von Pflanzenbehandlungsmitteln (auf den umliegenden Ackerflächen) bereits zu derartig negativen Auswirkungen geführt hat. Diese einzige in Deutschland wild wachsende Asternart wurde einstmals in Norddeutschland unter dem Namen „Suddeck“ als Gemüse gegessen, in Holland sogar noch heute gedünstet als spinatartige Gemüsedelikatesse verzehrt. Die jungen, sukkulenten, saftigen Blätter haben einen mild-salzigen Geschmack und passen roh gut zu Salaten. Sie blüht von August bis in den September. Die Salzaster (Aster pannonicum) hat sich mit verschiedenen Mechanismen an den Salzgehalt ihrer Wuchsorte angepasst. Ihr gelingt es u.a. durch Abwurf älterer Blätter, in denen größere Salzmengen angesammelt wurden, überschüssiges Salz loszuwerden. Die Salzastern erreichen eine Wuchshöhe von 15 – 150 cm, bei uns bis etwa 45 cm. Sie lieben unsere nassen, periodisch überfluteten Salzwiesen. Die Früchte werden durch das Wasser oder den Wind verbreitet. Salzastern sind vom Graswarder bis nach Asien anzutreffen.
Die dritte im Bunde ist als Spätblüher der gelb blühende Wiesenalant (Inula britannica), der erst seit 1996 nach einem Schnee- und Eischollen reichen Winter im Naturschutzgebiet auftauchte. Nicht etwa nur in einzelnen Exemplaren, sondern gleich flächig. Möglicherweise sind die Samen über die See herantransportiert worden. Als Ausgangsstandort kommt das Naturschutzgebiet Wallnau auf Fehmarn in Frage, wo entlang des Strandwalles schon seit vielen Jahren diese Pflanze nachwiesen werden konnte. Der Betrachter kann sie gut vom Graswarderweg aus auf Höhe des ersten Reet gedeckten Ferienhauses erkennen. Sie wächst an schwach salzhaltigen Stellen und ist nur sehr zerstreut an der Küste vertreten. Auch diese Blütenpflanze wird im Normalfall von Insekten wie Hummeln oder Nachtfaltern häufig aufgesucht. Leider in diesem Jahr auch nur mit sehr geringem Erfolg.
Text & Fotos: Klaus Dürkop
Der Vogelzug ist in vollem Gange und bietet nicht nur auf dem Graswarder oder der Eichholzniederung Gelegenheit, Zugvögel zu beobachten. Üblicher Weise fallen ja die Graugänse besonders auf, wenn Sie abends von den abgeernteten Feldern über die Stadt zum Graswarder zurückkehren. Aktuell sind aber Stare die Hinckucker, die hier mit begeisternden Flugspielen Anwohner und Gäste zum Staunen bringen In diesem Jahr haben diese Singvögel früher als sonst üblich die Warderstadt erreicht. Ein Schauspiel besonderer Art, denn all abendlich suchen Tausende dieser Vögel ihre Schlafbäumen zwischen Binnensee, Hansaweg, Seesrtraße. Wildkoppelweg, Wikinger Straße sowie dem Stadtpark auf und machen mit ihren Rufen deutlich: Jetzt sind wir hier Gäste. Nicht ganz unproblematisch, denn im Ruhezustand wird ja der Verdauungsapparat aktiv. Zuvor haben sie nämlich die Früchte in den Knicks und Gärten im Umfeld von Heiligenhafen geplündert und Energie für ihren Weiterflug gespeichert. Kotausscheidungen sind deshalb nicht ganz zu vermeiden. Auf Ihrem Herbstzug in den Mittelmeerraum machen sie nun schon seit Jahren hier für gut einen Monat Zwischenstation. Keiner weiß, warum das gerade hier stattfindet, aber man hat den Eindruck, dass die Anzahl steigt. Wer also abends unbedingt durch den Stadtpark gehen will, sollte sich mit einem Schirm vor dem herabfallenden Kot schützen. Eine Gefahr durch Keime kann für Menschen nahezu ausgeschlossen werden. Freuen wir uns einfach an den faszinierenden Vogelschwärmen.
Hunderttausende von Alpenstrandläufern, Sichelstrandläufern, Knutts oder Pfuhl-schnepfen fallen nun wieder an unseren Küsten ein; leider nur ein kleinerer Teil von ihnen an der Ostseeküste und noch weniger natürlich im NSG Graswarder, weil ihnen hier ja die großflächigen Wattflächen fehlen. Dennoch, wer sich ein bisschen Zeit nimmt, kann vom Beobachtungsturm aus bereits eine Vielzahl von Zugvogelarten bei der Nahrungsaufnahme beobachten, viele von ihnen sogar noch in vollem Brutkleid.
Bereits seit Mitte Juli sind hier in größerer Anzahl Alpenstrandläufer und Pfuhlschnepfen neben den Grünschenkeln an den Lagunen eingefallen. Als erste machten aber bereits Anfang Juli
Rotschenkel mit ihren wohlklingen Rufen auf sich aufmerksam. So früh habe ich den Vogelzug seit langem nicht registriert.
Am 30. Juli ergaben sich nach langanhaltenden hohen Wasserständen in den Lagunen dann endlich auch optimale Nahrungsflächen für die nahrungssuchenden Strandläufer, nachdem die Winde auf
Nordwest gedreht hatten. Sie sind in der Regel Voraussetzung für das Trockenfallen der Wattflächen und damit für
die „Bereitstellung“ eines gedeckten Tisches mit Wattwürmern oder Ringelwürmern aller Art.
Wer sich früh auf den Weg zum Naturzentrum macht, kann bereits kurz hinter dem Strandresort regelmäßig auf Alpenstrandläufer treffen, die zu dieser Jahreszeit noch eine relativ kurze Fluchtdistanz aufweisen.
Dreh- und Angelpunkt ist der Graswarder auch für Graugänse, deren Anzahl von Tag zu Tag zunimmt; zur Zeit nutzen etwa 2500 Individuen den Graswarder als „eiweißreiche Tankstelle“ für ihren Weiterflug . Seeadler haben dieses Nahrungsangebot ebenfalls erkannt und stellen sich immer häufiger hier ein, um „fette Beute“ zu machen. Nicht selten kann das Schlagen direkt vom Graswarderweg beobachtet werden. Es lohnt sich also ein Ausflug auf den Graswarder.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Als Urzelle für unsere artenreiche Salzwiese wurde die Zone 1 des Graswarders in diesem Jahr wieder einmal von Mitte Mai bis Ende Juni mit einer kleinen Herde von 16 Rindern der Rasse
„Schwarz-Bunte“ kurzzeitig beweidet. Ziel war es, den in den letzten Jahren sehr hohen Aufwuchs an Gräsern wie Quecke, Rotschwingel und Schilf zurück zu führen, um damit den niedrig wachsenden
Pflanzen wie dem Wiesenalant, dem Echten Sellerie oder der Salzaster „mehr Luft“ für eine umfassendere Ausbreitung zu ermöglichen.
Nach sechs Wochen hatten die Rinder gute Arbeit geleistet, so dass wir uns als „Viehtreiber“ verdingten und die Herde über den Graswarderweg zur Zone 3 hinter dem Beobachtungsturm trieben
- eine auf den ersten Blick recht problematisches Unterfangen. Aber mit mit Helfern vom Landwirt Höppner und vom
NABU gelang das vorzüglich, nachdem Schlupflöcher an den Dünenübergängen und zu den Villen geschlossen werden konnten. Eine besondere Hilfe wurde uns dabei durch einen Ochsen zu Teil, der als
eine Art „Leitbulle“ „seine Frauen“ souverän anführte und zur neuen Weide im Osten begleitete .Dieser Ochse hat eine besondere Vergangenheit. Er kam nämlich vor zwei Jahren zu unserem Landwirt
Höppner als Bullenkalb. Dem ging ein Angebot einer Dame aus Nordrhein-Westfahlen voraus, die dem NABU das Kalb schenken wollte und davon ausging, dass der NABU nicht nur über entsprechendes
Weideland sondern auch über Stallungen verfügt. Da dem nicht so war, boten wir Landwirt Höppner das Tier an. Er übernahm es mit der Verpflichtung, ihm das Gnadenbrot zu gewähren. Von besagter
Dame erhält er dafür eine jährliche Aufwandsentschädigung. Das in der Zwischenzeit zum Ochsen gemachte Kalb hat sich in der Zwischenzeit auf dem Hof zu einem Leittier für Jungrinder entwickelt, wirkt beruhigend auf sie ein und ist gerade dann eine große Hilfe, wenn sie im Mai auf die Salzwiesen
beim NABU kommen. Wildes und unkoordiniertes Herumlaufen unterbleibt, sehr zum Wohle der dann schon brütenden Küstenvögel.
Der Umtrieb sollte darüber hinaus ein weiteres Ziel verfolgen und die Zone 2 von der Beweidung ausschließen. Dazu wurden Elektrozäune bis ins südliche Binnenwasser errichtet. Doch wir hatten wieder einmal den Einfallsreichtum der Rinder unterschätzt. Das schmackhafte Grün auf der anderen Seite des Zaunes ließ sie alle Hindernisse überwinden, auch das tiefere Wasser am Ende der ins Wasser hereinragenden E-Zäune. Nach 14 Tagen der Hoffnung auf eine unbeweidete Zone 2 blieb nur die Erkenntnis, dass sich wohl auch in Zukunft die Jungrinder nicht aus dieser Fläche heraushalten lassen. Die Folge wird sein, in den nächsten Jahren auf die Beweidung gänzlich zu verzichten.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Nachdem uns im Mai die Grasnelke (Ameria maritima) mit ausgedehnten Beständen erfreut hatte, sind es nun der Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre) und der Natternkopf (Echium vulgare).
Der Gewöhnliche Natternkopf ist ein von Menschen eingeschleppter Neubürger, der erst seit einigen Jahren in größeren Beständen den Graswarder erobert hat. Er braucht warmen und gut wasser-durchlässigen Boden, der ihm auf den sandigen Strandwällen inselartig und zum Teil flächendeckend geboten wird. Der Gattungsname „Echium“ stammt vom griechischen Namen der bei Kreuzotternbissen angewendeten Heilpflanze.
In diesem Jahr hat sich diese hochaufwachsende, formenreiche, blau blühende und zweijährige Pflanze auch am Rande der Strandpromenade auf Höhe des neuen Bebauungsgebietes angesiedelt. Ein erfreulicher Anblick im Gegensatz zu den gerodeten Waldflächen.
Der Mauerpfeffer dagegen ist ein alter Bekannter und sucht in der Regel offene, humusarme und kalkhaltige Sandböden auf. Diese findet er großflächig im Osten des NSGs auf den noch sehr jungfräulichen und vegetationsarmen Strandwällen vor. Er ist dort kissenartig und locker verbreitet (siehe Fotos). Die Wuchshöhe des Scharfen Mauerpfeffers liegt bei 5-15 Zentimetern. Kleine Geschmacksproben der dickfleischigen Blätter geben einen Hinweis auf den „Vornamen“ dieser sukkulent auftretenden Pflanze – pfeffrig scharf. Der Scharfe Mauerpfeffer enthält geringe Mengen Alkaloide, die aber nicht zu ernsten Vergiftungen führen. Kleinere Bestände erschließen sich dem Besucher auch am Rande des Graswarderweges und zwar genau dort, wo sich offene und sandige Standorte erhalten haben.
Mit seinen leuchtend gelben Blüten bildet er einen schönen Kontrast zum Natternkopf.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Nachdem der NABU anlässlich der Buchpräsentation Dr. Silke Schneider zu einem Besuch des Graswarders eingeladen hatte, konnte der Referent Klaus Dürkop die Staatssekretärin am 4. Juni kurzfristig zu einem ausführlichen Gespräch begrüßen. Ergänzung fand die Begegnung durch einen mehrstündigen Beobachtungsgang ins Schutzgebiet entlang der Nordküste der Nehrung.
Einen besonderen Anreiz für ihren Besuch gab darüber hinaus das Blütenmeer ausgedehnter Grasnelkenflächen, die sich teppichartig über viele Strandwälle ab Mitte Mai im Gebiet ausbreiteten. Solch ein Schauspiel, das sich nur im Abstand vieler Jahre in diesen Ausmaßen abspielt, erlebte sie hier das erste Mal.
Ohne Zeitungsreporter im Schlepptau, aber begleitet von Dr. Ellen Rades und Dr. Ulrich Niermann konnte der Referent die Staatssekretärin mit den aktuellen Problemen des Schutzgebietes hautnah konfrontieren. Vorrangiges Ziel war es aber an diesem Tag, einmal die Faszination dieses heute schon fast einmaligen Lebensraumes an der Ostseeküste zu erleben und ein wenig von dem Flair mit nach Kiel zu nehmen.
Augenfällig für alle Beteiligten war der weitere Bestandsrückgang bei dem Charaktervogel des Graswarders, der Sturmmöwe. Ein trostloser Zustand, denn nur noch in dem E-Zaun gesicherten Areal südlich des Naturzentrums hält sich noch kleiner Bestand auf. Hier gab es bisher noch keine Verluste durch Füchse, wohl aber durch Marder und in nicht unbedenklichem Ausmaß durch Igel. Ein massiver Zaun scheint hier die wirkliche Antwort auf den Rückgang zu sein. Jagdliche Eingriffe werden dadurch aber nicht gegenstandslos. Vom Einfluss der Raubsäuger konnte sich die Staatssekretärin ein aktuelles Bild verschaffen, als ein Fuchsrüde in unmittelbarerer Nähe und ohne große Eile an der Beobachtergruppe vorbeizog. Füchse fühlen sich demnach ausgesprochen wohl in dem Gebiet, was auch kein Wunder ist (siehe Fotos). Ihnen wird seit drei Jahren nicht nachgestellt.
Von den Säbelschnäblern, Küstenseeschwalben und Zwergseeschwalben flogen nur noch Einzelpaare herum, obwohl sie anfangs noch kleinere Kolonien gebildet hatten. Der anfängliche Bestand von Flussseeschwalben auf der Brutinsel konnte bei der Begehung auch schon nicht mehr bestätigt werden. Trostlos! Weitere Störungen wie das direkte Erleben von Surfern und Steh- Paddlern im Randgebiet des Schutzgebietes gaben nochmals Anlass, auf die Notwendigkeit der „Befahrensregelung“ in den Küstenschutz-gebieten nachzudenken, um Druck beim Bundesverkehrsministerium zu machen.
Staatssekretärin und Mitarbeiter des NABU waren sich einig, dass das Naturschutzgebiet ohne erhebliche Anstrengungen schon bald seine Bedeutung als Seevogelschutzgebiet verlieren kann – auch im Hinblick auf seine Attraktivität für den Tourismus. Was ist ein Schutzgebiet ohne Vögel, Hasen, Kaninchen, Eidechsen und viele andere Tierarten
Unser Dank geht an Dr. Silke Schneider, die sich so viel Zeit nahm, das NSG kennenzu-lernen.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Millionen von Blütenköpfen der Grasnelken machen zur Zeit im Naturschutzgebiet Graswarder der Bundesgartenschau
echte Konkurrenz. Teppichartig haben sie das Schutzgebiet über viele Strandwälle hinweg in ein blühendes rosarotes Meer verwandelt. Einmalig für die gesamte schleswig-holsteinische Ostseeküste.
Seit 1983 erlebt dieses Bleiwurzgewächs , zu denen auch der Strandflieder gehört, eine“ Auferstehung“, die nur durch die günstige Witterung mit den höheren Niederschlägen im April dieses Jahres
zu erklären ist. Zwar sind größere Bestände naturgemäß stets vorhanden, doch ihre Blütenpracht können sie nur nach optimalen Regenfällen entwickel. Dazu gesellt sich noch ein wohlriechender Duft,
der es mit dem Erzeugnis renommiertester Parfümhersteller aufnehmen kann.
Darüber hinaus kommt ihnen das Beweidungskonzept zu Gute, das über eine geringere Dichte an Rindern optimale Bedingungen für ihr Wachstum garantiert. Die hier eingesetzte Rinderherde von Bauer Höppner aus Neuratjensdorf sorgt nämlich dafür, dass Konkurrenzpflanzen wie die Quecke oder der Rotschwingel kurz gehalten werden und somit auf Grund ihrer höheren Wuchsform die Grasnelken nicht mit ihren Halmen überziehen und ihnen „die Luft zum Atmen“ entziehen.
Wer dieses Schauspiel im wahrsten Sinne begreifen und erleben möchte, ist zu einer naturkundlichen Führung im Naturschutzgebiet herzlich eingeladen. Die Urform der Grasnelke wird bis zu 25 Zentimeter hoch, ihre Blütenköpfe erreichen 15-20 Millimeter, lieben sandigen Boden und vollsonnige und warme Standorte. In Zuchtform hat diese attraktive Pflanze unsere Gärten erreicht und wird mittlerweile auch auf den Grünstreifen an Autobahnen angetroffen.
Hervorzuheben ist bei Grasnelken die Zweigestaltigkeit, bekannt unter dem Begriff Dimorphismus. Die Pollen des Exemplare keimen nicht auf der eigenen Narbe, weil die Narbenoberfläche von der
Oberflächenstruktur her dafür ungeeignet ist. Wie beliebt diese Pflanze in der Bevölkerung ist, zeigt sich schon an den verschiedenen Volksnamen: Drahtblume, nach den dünnen, zähen Stängeln,
Sandbloom auf Fehmarn wegen ihres sandigen Standortes, in Ostfriesland Pinkelblume, was darauf hinweist, dass sie als Heilpflanze als harntreibendes Mittel eingesetzt wurde.
In Heiligenhafen wurden die Grasnelken anlässlich des Kindervogelschießen gern zur Herstellung von Kränzen genutzt. Sie zierten die Köpfe der Schülerinnen während des Umzuges oder wurden für die
Königskrone verwendet.
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Jetzt sind die letzten Nachzügler eingetroffen. Es hat ein bisschen gedauert, bis auch die Zwergseeschwalben im äußersten Osten ihre vorerst kleine Kolonie gebildet haben. Nicht weit entfernt von ihnen versuchen einige Küstensee-schwalben ihr Glück, auf der Brutinsel brüten die ersten Flussseeschwalben.
Leider mussten wir in diesem Jahr auf den ca. 750 Meter langen E-Zaun auf Höhe des Beobachtungsturmes verzichten,
da keine Hoffnung bestand, ihn vor mutwilligen Zerstörungen bewahren zu können. Hilfen von polizeilicher Seite waren nicht zu erwarten. Wir sind aber mit dem Umweltministerium in Kiel im
Gespräch, eine generelle Lösung zu finden. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Vorhaben laufen zur Zeit. Dazu
später nach der Brutzeit weitere Einzelheiten.
Die Kolonie unterhalb des Naturzentrums wurde mit einem doppelt verlaufenden E-Zaun versehen, der unter der Kontrolle unserer Wärmebildkameras steht. Mehr als 80 Stunden von ehrenamtlichen
Mitarbeitern waren notwendig, um diesen Lebensraum vor dem Zugriff durch Prädatoren einigermaßen zu schützen. Das Überspringen des E-Zaunes kann aber dadurch nicht verhindert werden. Ein nicht
unerheblicher zeitlicher Aufwand muss darüber hinaus regelmäßig dafür aufgebracht werden, den Aufwuchs an Gräsern unter den Zäunen mit einer Motorsense zu beseitigen(siehe Bild). Übergriffe und Zerstörungen der Zäune durch Menschen blieben gottseidank bisher aus. Dagegen haben Silbermöwen den reich gedeckten Tisch entdeckt und bedienen sich täglich an den Gelegen. Dieser Umstand verwundert, denn die meisten
Silbermöwen brüten mittlerweile im Stadtgebiet. Eier von Graugänsen, Reiherenten, Schnatterenten und Sturmmöwen sind offensicht besondere Leckerbissen. Da hilft auch kein E-Zaun.
Bei den Graugänsen gibt es ein Nachfolgepaar von „Emma und Co“ auf der Voliere. Nachdem sich mehrere Paare um den hochwassersicheren Brutplatz gestritten hatten, setzte sich das Favoritenpaar durch. Mittlerweile haben sie erfolgreich gebrütet und sich mit fünf weiteren Grauganspaaren zu einer abwehrstarken Gemeinschaft zusammengetan. Wohl ein Zeichen dafür, dass sie gewillt sind, sich gegen die zunehmende Anzahl von Füchsen durchsetzen.
Von den Mitte April eingeflogenen Säbelschnäblern ist kein Paar zur Brut geschritten. Eine totale „Pleite“, ein Umstand wie wir ihn seit mehr als 50 Jahren nicht verzeichnen mussten. Der
heimliche „König“ unter den Seevögel hat hier kapituliert.
Die Anfang April eingetroffenen Trauerbachstelzen hatten schon mit dem Nestbau in den zwei bekannten Revieren begonnen, haben den Graswarder aber wieder verlassen. Möglicherweise sind
sie auch Greifsäugern zum Opfer gefallen. Eines der Nester befand sich in unmittelbarer Nähe eines Fallrohres
einer Villa, das von Steinmardern auf dem Weg zu ihrem Unterschlupf im darüber liegenden Reetdach genutzt wurde. Schade um diese Neubürger vom Graswarder.
Von den Singvögeln haben die Feldlerchen zum ersten Mal in unmittelbarer Nähe des Blockhauses Reviere gegründet, sehr zur Freude unserer Besucher.
Text & Fotos: Klaus Dürkop
Nachdem die E-Zäune um die Küstenvogelkolonie am Naturzentrum installiert sind, wurde am 18. April eine weiterer „Sicherheitsbereich“ für Seevögel eingerichtet. Dazu wurde wie schon in den vergangenen Jahren eine 25 Quadratmeter große Brutinsel in einer der Lagunen in Sichtweite zum Beobachtungsturm ausge-bracht. Dabei half wieder Landwirt Höppner aus Neuratjensdorf mit Trecker und Anhänger, um die 25 einzelnen 1,00 x 1,00 Meter großen Brutinseln aus dem Überwinterungslager am Blockhaus des NABU zu transportieren. Besten Dank. Die Einzelinseln werden an Ort und Stelle dann zu einem Großfloß zusammengefügt und dient ausschließlich Flussseeschwalben als Nistplatz. Sie kehren um den 25. April aus ihren Überwinterungsgebieten zurück. Sie starten Anfang April von Süd-West Afrika und benötigen für die etwa 5000 Kilometer lange Strecke ca. 14 Tage, bis sie bei uns auf dem Graswarder einfliegen. Bei einer Reisegeschwindigkeit von gut 60 Stundenkilometern bleibt ihnen nicht viel Zeit für Erholungsphasen.
Winzige Ortungschips, sogenannte Geolkatoren, geben Auskunft über die Routen der Flussseeschwalben. Die Chips wiegen nur 0,5 Gramm und wurden vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmhaven entwickelt.
Nun bleibt nur die Hoffnung, dass die Flussseeschwalben ihren Heimatort wieder erreichen. Leider weist auch bei dieser Vogelart die Statistik keine positive Entwicklung auf.
Text & Fotos: Klaus Dürkop
Südlich des Naturzentrums haben wir heute mit zwölf freiwilligen Helfern rechtzeitig zur Brutzeit eine der Seevogel-kolonien mit E-Zaungeflechten eingefasst. Auf einer Länge von ca. 370 Metern kamen zwei unterschiedliche Zaun- geflechtstypen zum Einsatz. Sie unter-scheiden sich sowohl in der Höhe als auch in der Maschenbreite voneinander.
Gegen das Eindringen von Füchsen wird ein E-Zaun mit einer Höhe von einem Meter verwendet, gegen Marder kommt ein sehr viel engmaschigeres Geflecht mit einer Höhe von 60 Zentimetern zum Einsatz. Die beiden Netzsysteme verlaufen parallel in einem Abstand von ca. 60 Zentimetern zueinander und erschweren den Füchsen auf Grund des Abstandes hoffentlich auch das Überspringen der beiden Zäune. Unsere Wärmebildkameras werden letztlich Auskunft darüber geben, ob damit ein effektiver Schutz gegen das Eindringen von Füchsen und Mardern erreicht wird. Die Kameras werden in den nächsten Tagen wieder eingeschaltet sein und darüber hinaus Zeugnis ablegen, ob sich möglicherweise auch verbotener Weise „Zweibeiner“ an den E-Zäunen zu schaffen machen.
Das Ausbringen der E-Zäune erfolgte – man kann schon sagen – traditionell wieder einmal bei gutem Wetter, mit einer Mischung von engagierten jungen und älteren Mitstreitern bei guter Atmosphäre. So neben bei sei vermerkt, dass bei diesem Arbeitseinsatz wieder einmal viele Stunden zum Nulltarif geleistet wurden. Die Beteiligten verknüpfen das mit der Hoffnung, mit diesem Arbeitseinsatz den Erhalt unserer Küstenvogelwelt zu sichern und in diesem Jahr nicht wieder von Sabotageakten überrascht zu werden..
Text und Fotos: Klaus Dürkop
Dr. Erich Lüthje, einer der Autoren von dem Buch: "Küste im Wandel - NSG Graswarder" stellte am 27. März auf seine humorvolle Weise das Buch und seine Autoren mit dem folgenden Beitrag
vor:
„Die Geschichte des NSG Graswarder begann 1965, als die Heiligenhafener Lehrer Erwin Patzelt und Klaus Dürkop im Namen des BfV (heute NABU) bei der Stadt Heiligenhafen beantragten, das
Nehrungsgebiet unter Schutz zu stellen.“
Das war vor 50 Jahren – es liegt also ein Hauch von Goldener Hochzeit in der Luft.
Sehen wir bei diesem Vergleich großzügig davon ab, daß am Anfang dieser Beziehung numerisch ein Dreiecksverhältnis bestand; mit freundlichem Einverständnis Erwin Patzelts reduziere ich es im
folgenden auf die Partnerschaft Graswarder-Klaus Dürkop.
Bleibt immer noch das erstaunliche Phänomen, daß aus dieser Beziehung nach 50 Jahren eine Nachkommenschaft mit dem Geburtsgewicht von stolzen 1700 Gramm hervorgegangen ist – in rein menschlichen
Zweierverbindungen eher ungewöhnlich! Immerhin – der Graswarder wirkt nach diesem halben Jahrhundert prächtig aufgeblüht und gleichsam verjüngt.
Klaus Dürkop sah nach all diesen Jahren den Zeitpunkt gekommen, seine naturkundlichen Erlebnisse und und praktischen Erfahrungen in der Naturschutzarbeit in einer umfassenden Dokumentation
niederzulegen.
Die Planung begann vor ca. 2 Jahren, die Realisierung vor gut 1 Jahr. Er stellte für das geplante Buch ein Team von 9 Mitarbeitern zusammen, so daß sich insgesamt ein Zehnerkollegium an die
Arbeit machte.
Es sollte ein bilderreiches Buch entstehen (ca. 2/3 Bilder, 1/3 Wort) mit anschaulichen, verständlichen und zugleich sachlich fundierten Texten. Wie sich alsbald herausstellte, bestand kein Magel
an geeigneten Themen und Beiträgen; vielmehr stellte sich die Aufgabe einer sinnvollen Auswahl und weisen Beschränkung. Der Themenbogen spannt sich von der Entstehung der Nehrungsküste bei
Heiligenhafen bis zur gegenwärtigen Ausprägung des Graswarders, vom Luftbild bis zum Mikrofoto, vom Spülsaum bis zum Windwatt, von der Düne bis zur Salzwiese – alles verteilt auf 1700 Gramm bzw.
350 Seiten.
Über die geologische Geschichte der Nehrungsküste informiert einleitend Kerstin Schrottke gleichsam aus erster Hand und auf dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis. Sie leitet an der CAU Kiel die AG
Meeresspiegelanstieg und Küstenerosion und hat auf dem Graswarder Untersuchungen zur Nehrungsbildung durchgeführt.
Norbert Fischer, Professor am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Hambuger Universität, porträtiert sodann die Geschichte des Badeortes Heiligenhafen – wozu er schwerpunktmäßig
die einschlägigen Jahrgänge der „Heiligenhafener Post“ gesichtet und ausgewertet hat. Das verleiht seinem Bericht ein besonderes Flair.
Dr. Hans-Jürgen Stephan, wissenschaftlicher Mitarbeiter u.a. am LANU, nimmt den Leser mit auf eine Wanderung am Hohen Ufer entlang. An 11 Stationen erläutert er zu großformatigen Aufnahmen den
wechselhaften Bau der Steilküste – unter gebührendem Einbezug auch des „Heiligenhafener Gesteins“ aus dem Obereozän sowie eines Überblicks über die Gesteinsarten am Strand. Ihm verdanken wir
überdies als delikaten Einschub in die Geschichte des Badeortes Heiligehafen eine präzise Dokumentation des Zusammenschlusses von Stein- und Graswarder im Jahre 1955. Damals führte er als Schüler
die maßgeblichen Vermessungen eigenständig durch.
Die nächsten 952 Gramm unseres Buchwerkes gehen an Klaus Dürkop, dessen über 50jährigen Erfahrungen („Goldene Hochzeit“ einschließlich „Vorehelicher Beziehungen“ zum Gebiet) sich in den Kapiteln
„Vogelwelt des Graswarders“ und „Pflanzenwelt der Nehrung“ niederschlagen. Es sind überaus reich bebilderte Darstellungen der Brut-, Zug- und Wintervögel einerseits sowie der Geländestrukturen
Sandstrand, Strandwall, Düne und Salzwiese mit ihrer jeweiligen Vegetation andererseits. Eine (fiktive, also bei bestem Wetter stattfindende) Führung durch das Schutzgebiet macht die Besucher
dabei mit den Schwierigkeiten und Erfolgen der Betreuungsarbeit vertraut und entspricht damit dem Hauptanliegen des Buches. Ebenso wie die schwankenden Zahlen der Vogelarten und ihres
Bruterfolges repräsentiert die Vegetation des Schutzgebietes dessen wechselvolles Geschick. Beispielhaft wird verständlich, daß Parameter wie Beweidung, Füchse und Marder, Elektrozäune und
Brutinseln den „Ertrag“ des Graswarders steuern, gemessen an der Zahl und Entfaltung seiner spezifischen Pflanzenarten und Brutvögel nebst ihrer Nachkommenschaft. Biotopmanagement in Gestalt der
„Gelenkten Beweidung“ vermochte aus einer Steinwüste Dünen entstehen zu lassen, aus einer Queckeflur den bezaubernden Rasen blühender Strandnelken.
Auf zwei besondere Aspekte des Naturschutzes an unserer Ostseeküste geht das Buch –soweit ich sehe – erstmalig ein.
Zum einen:
Helge Schmeisky, em. Professor der Universität Kassel, stellt den „Einfluß des Meeresspiegelanstiegs auf die Vegetation“ dar. Hier findet der Leser eine Gegenüberstellung von Vegetationsaufnahmen
aus den Jahren 1967 und 2008. Sowohl diese Karten als auch Fotos der Salzwiese belegen – um es kurz zu sagen – den Vormarsch von Meeresspiegel und begleitenden salzverträglichen
Verlandungspionieren in vormaliges „Hochland“ mit den Kennarten der abgeschlossenen Strandwallbildung. Was noch vor 8 Jahren eine geschlossene Grasdecke war, zeigt sich heute als gleichsam vom
Wasser zerfressenes Terrain mit einem Quellermosaik. Eindrucksvoller als an diesem Heiligenhafener Musterbeispiel kann der Wert eines „Naturschutzes mit langem Atem“ sowie seiner exakten
Dokumentation wohl kaum dargestellt werden.
Zum anderen:
Kaum einem Besucher des Graswarders – und damit sind auch manche Experten gemeint! – kennt die anatomische Feinstruktur seiner pflanzlichen Charakterarten. Wieso kann die Flora des Strandes und
der Salzwiese unter Bedingungen gedeihen, die jeder Garten- und Ackerpflanze den Garaus machen würde?
Es war mir vergönnt, dies anhand mikroskopischer Aufnahmen darzustellen und damit den Blick des Betrachters in eine Welt zu lenken, die dem unbewaffneten Auge zwar entgeht, zum besseren
Verständnis der Anpassung an die speziellen Ökofaktoren des Schutzgebietes aber äußerst hilfreich ist. Es dürfte, wie bereits erwähnt, der erste Einblick dieser Art in die Vegetation eines
Schutzgebietes sein – immerhin 212 Gramm.
Gleichsam die zwei Zonen-Randgebietes des Graswarders nimmt sich Dr. Ulrich Niermann vor, Meeresbiologe mit dem Blick auf marine Lebensgemeinschaften. Das sind im Falle unseres Schutzgebietes zum
einen das seeseitige Flachwasser mit Seegras- und Tangbeständen, die u.a. für nahrungssuchende Seeschwalben, Enten und Säger wichtige Beutetiere enthalten, zum anderen das stadtseitige
Windwatt, wo z.B. der Schnabel des Säbelschnäblers das Schlickkrebschen findet. Überdies stellt dieser Autor die Meeresschutzgebiete um Heiligenhafen vor und macht die wohl überwiegend
unbekannten Kürzel EGV und FFH verständlich – Gebiete, in denen sich Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale tummeln.
Manch einem mag ein Überblick über die “Käferfauna auf dem Graswarder“ zu speziell für ein Buch wie das unsere erscheinen. Indes macht Dipl.-Biologe Stephan Gürlich (Büro für koleopterologische
Fachgutachten) mit berufener Feder (oder muß man heute sagen „mit berufenem Laptop“?) deutlich, daß die Existenz seltener und seltenster Käferarten auf dem Graswarder von Faktoren des
Naturschutzes abhängt, die nicht eben populär und leicht vermittelbar sind: Es muß am Strand das Spülsaummaterial einschließlich der Kadaver liegen bleiben - und stinken! – dürfen,
und keine Spaziergänger sollten hier das filigrane Luftporengefüge des Feuchtsandes zertreten. Denn diese und weitere Substrukturen sind die Siedlungsvoraussetzungen für Käfer, die am geharkten
Kurstrand keinen Platz haben. Exzellente Makrofotos von Roland Suikat (Preetz) untermalen dieses Plädoyer für einen Naturschutz, der auch mal gegen den Strich bürstet.
Es bleiben noch 48,5 Gramm Buchseiten für einen weiteren wichtigen Aspekt des Naturschutzes: Prof. Joachim Kadereit von der Universität Mainz führt regelmäßig den akademischen Nachwuchs auf den
Graswarder. Immerhin wachsen hier mit Apium graveolens und Beta vulgaris Stammpflanzen unserer Kulturarten Sellerie, Zucker- und Futterübe, Rote Bete sowie Mangold. Krauser Ampfer und
Strandkamille zeigen dem Evolutionsbiologen, daß deren Verbreitung durch die Meeresströmung Schwimmeinrichtungen an ihren Früchten und Samen gefördert haben. Hoffentlich wissen seine Eleven den
Wert dieser Ausführungen zu schätzen und damit die Bedeutung eines Naturschutzgebietes im allgemeinen.
Bleibt zum Abschluß der Hinweis auf den Höhepunkt des Graswarders – der fraglos mit der Aussichtsplattform des Turmes gegeben ist. Wußten Sie schon ... daß die markante Silhouette dieser
Konstruktion einen hockenden Vogel symbolisiert? Vielleicht – das sei mit aller Anerkennung gesagt – kommt nur ein Architekt wie Prof. Meinhard von Gerken auf solch eine Idee... Als
(Mit-)Gestalter der Flughäfen Tegel und Moskau (jawohl!) sowie des Chinesischen Nationalmuseums setzte er seine Ehre darein, zu „sehr freundschaftlichen Geschäftsbedingungen“ dieses Wahrzeichen
des Graswarders zu gestalten.
Wir hoffen mit Klaus Dürkop, dem Heiligenhafener Graswarder mit diesem Buch neue Freunde zu verschaffen und alten Bekannten, zumal den Mitarbeitern und Referenten unserer anderen Schutzgebiete an
Nord- und Ostseeküste, eine lesens- und vielleicht auch nachahmenswerte Lektüre vorlegen zu können.-
Text: Dr. Erich Lüthje
Das Buch "Küste im Wandel - Naturschutzgebiet Graswarder-Heiligenhafen" ist erhältlich in der Station des NSG Graswarder oder im Buchhandel (ISBN-13: 9783981592436)
Wie wir schon seit einigen Jahren beobachten konnten, breitetete sich die Rosa rugosa auch in den Dünen und Strandwällen des Graswarders aus. Bisher konnten wir die Ausbreitung dieser Strauchart durch Herausreißen und dem Einsatz von Spaten und Schaufel noch unter Kontrolle halten. Nachdem sich aber dieser invasive Neophyt explosionsartig in den Dünen östlich des Beobachtungs-turmes ausbreitete, mussten wir uns zu einem rigorosen Einsatz mit einem Kleinbagger entschließen. Bei dieser Maßnahme half die Landschaftsgärtnerei Knorr aus Heiligenhafen mit dem entsprechenden Gerät und schaffte es innerhalb von vier Stunden, die gesamten „Inseln“ mit der Kartoffelrosenbeständen aus dem Dünen- und Strandwall herauszulösen. Viele Hände unserer freiwilligen Helfer haben dann die Pflanzen samt ihren Rhizomen aus den Dünen- und Geröllflächen herausgezogen und entsorgt. So bleibt uns innerhalb der laufenden Vegetationszeit nur noch die Aufgabe, die nachwachsenden Pflanzen gleich nach ihrem neuerlichen Auftreten sofort wieder zu beseitigen. Auf diese Weise können wir mit vereinten Kräften wohl auch in Zukunft die weitere Ausbreitung dieser invasiven Pflanze im Naturschutzgebiet unterbinden. Gerät und Man-power stellte uns die Landschaftsgärtnerei kostenlos zur Verfügung.
Zur Erinnerung:
Das eigentliche Verbreitungsgebiet der Kartoffelrose (Rosa rugosa) liegt in Ostasien in Hokkaido, Sachalin und an den Küsten von Kamtschatka bis Nordostchina. Bei uns heißt sie auch
Kamtschatkarose. Sie wird im Handel ausgesprochen günstig angeboten und wurde eine zeitlang sogar im Rahmen von Dünenbefestigungen hier an der Küste eingesetzt. Sie entwickelte sich aber immer
mehr zu einer ökologisch problembehafteten Pflanze für die heimische Dünen- und Strandwallpflanzenwelt. Typische Küstenpflanzen wie Strandhafer, Stranddistel, Meerkohl , Grasnelken oder
Dünenstiefmütterchen werden sprichwörtlich überrollt und ersticken förmlich unter dem dichten Blätterdach der Kartoffelrose. Wenn der Bestand nicht unter Kontrolle gehalten wird, muss davon
ausgegangen werden, dass eine artenreiche Küstenpflanzengesellschaft schon bald der Vergangenheit angehört.
Text: Klaus Dürkop, Foto: Fritjof Wittrock
Davon kann rund um Heiligenhafen noch keine Rede sein. Zum ersten Mal haben sich aber Nonnengänse den Graswarder und die Eichholzniederung als Winter-rastraum erkoren. Mehr als 250 von ihnen nutzen zur Zeit die energiereichen Gräser der Eichholzniederung, die nach Abschluss der Beweidung mit Galloways im November frisch nachgewachsen sind. Das mildere Klima begünstigt nun auch diese Gänseart, nachdem die Graugänse mit 500 -700 Individuen ja schon seit einigen Jahren in diesem Raum überwintern. Darüber hinaus haben sich auch Kanadagänse und Blässgänse in größerer Anzahl eingefunden. Nilgänse treten nur vereinzelt auf. Die Fluchtdistanz ist gering, so dass die Vögel optimal vom Weg zum Hohen Ufer beim Äsen beobachtet werden können. Dabei hilft der von der Stiftung Naturschutz entlang des Weges errichtete Knüpfdraht, der Hunden die Möglichkeit verbaut, auf die Wiesen zu gelangen. Wichtig ist dieser Ruheraum auch deshalb, um die Gänse möglichst lange von den umliegenden Ackerflächen fernzuhalten.
Die hier rastenden Nonnengänse haben ihre Brutgebiete von den Inseln Gotland und Öland an der Ostseeküste von Schweden, über das Baltikum bis zum Weißen Meer. Der Gesamtbestand weltweit liegt etwa bei 440.000 Paaren. Ihr Bestand ist nicht gefährdet. In Schleswig- Holstein brüten seit 1990 die ersten Paare.