Geschichtliches zum Graswarder


Nur wenige Informationen sind im Schrifttum aus der Vergangenheit  über den Graswarder bekannt. Daher hier ein Zitat aus „Die Welt der Seevögel“ von Schulz:
„Aus einer Notiz von Werner und Leverkühl im J.f.O. 1888, S. 569, erfahren wir kurz, dass bereits 1886 Sturmmöwen auf dem Graswarder brüteten, und der neue Naumann (105) gibt im Band XI, S.226, dasselbe in einer kurzen Bemerkung bekannt.

 

Dann sind es wieder die Jahresberichte 1918 und 1919 des Vereins Jordsand, worin von dem Wunsche der Stadtgemeinde Heiligenhafen Mitteilung gemacht wird, der Verein möge sein Wirken auf die arg gefährdete Vogelwelt ihrer Insel ausdehnen. Dieser Wunsch konnte anscheinend nicht ganz erfüllt werden, denn 1919 lesen wir: „Herr Haubenreißer berichtet über die Stadt Heiligenhafen unter Hinzuziehung des Vereins geschaffene Vogelfreistätte auf dem Heiligenhafener Werder: Zwei Mitglieder (Haubenreißer und Peckelhoff) haben an Ort und Stelle Winke für die Anlage gegeben.“

 

Weit ältere Angaben finden sich bei unserem Dichter Theodor Storm. In seiner Novelle „Hans und Heinz Kirch“ (geschrieben 1881), die eine Wiedergabe wirklicher Ereignisse aus Heiligenhafen bringt, las ich, dass „sich ein paar Kabellängen vor der Stadt ein schmales Eiland quer vor erstreckt, dass sie dort den Warder nennen, von wo ab im Frühjahr unablässiges Geschrei der Strand- und Wasservögel nach der Stadt herübertönt“. Weiter geht aus dieser Novelle klar hervor, dass um 1855 dasselbe Leben auf dem Warder geherrscht hat. Was dort aber die ganzen Jahre für Brutvögel vorhanden waren, entzieht sich unserer Kenntnis.

 

Sehr unklar sind auch folgende Angaben: Krohn bezieht sich 1924 in seinem Buch über die Vogelwelt Schleswig-Holsteins auf zwei Zeitungsnotizen der Jahre 1910 und 1917, wonach die Lachmöwenkolonie auf dem Graswarder seit 1910 von der Stadtverwaltung genutzt würde; es seien 1910: 5500, 1917: 39500 Eier gesammelt worden. Naturwissenschaftliche Zeitungsnotizen sind fast ausnahmslos ungenau, es kann sich also ebenso gut um Sturmmöwen oder um beide Arten handeln. Vergleichen wir die zuerst angeführten Quellen aus den Jahren 1886 und 1900 mit den weiter unten gemachten Angaben von Vörkel aus dem Jahre 1925, so wird es sich wohl hauptsächlich um die größere Art gehandelt haben.

Lachmöwen (Photo Klaus Dürkop)
Lachmöwen (Photo Klaus Dürkop)

Wenn Dietrich 1928 in „Hamburgs Vogelwelt“ eine Lachmöwenkolonie auf dem Warder angeführt und die Sturmmöwe nicht erwähnt, so ist dazu zu sagen, dass der Verfasser sich leider häufig auf allgemeine Angaben stützte, die von ihm nicht nachgeprüft wurden. Fest steht nämlich, dass nach 1920 Sturmmöwen die Insel beherrschten, wobei Lachmöwenreste aus früherer Zeit manchmal noch vorhanden gewesen sein können. Diese waren nach Hagen (Die Heimat, Kiel, 28, 1918) an mehreren Stellen um Heiligenhafen herum als Festlandsbrutvögel vorhanden.


Erstmals 1925 gibt Vörkel (145) in einer längeren Notiz einige Einzelheiten vom Brutleben bekannt. Nach ihm waren 1925 1000P. brütende Sturmmöwen und keine Lachmöwen vorhanden, ferner brüteten wenige Flussseeschwalben, viele Sandregenpfeifer und 1 P. Austernfischer, und 1939 erhalten wir aus der Feder von Babbe (2), Heiligenhafen, lange Ausführungen über die Brut- und Gastvögel des Eilandes. Daraus sei bemerkt, dass bisher 12 Strandvogel- und 10 andere Arten zur Brut geschritten sind. Ferner hat dieser dort in gemeinsamer Arbeit mit dem Ornithologen Wittorf bisher zusammen 116 Vogelarten festgestellt“.

Ergebnisse des Möweneiersammelns: Nachdem der Graswarder am 01.04.1934 zum Vogelschutzgebiet erklärt worden war, bedeutete diese Ausweisung noch lange nicht, dass damit alle Vögel geschützt waren. Von diesem Zeitraum an begann nämlich das professionelle Absammeln der Sturmmöweneier. Etwa 15 Personen waren Jahr für Jahr in der Zeit vom 1. Mai bis zum 6. Juni täglich in der Seevogelkolonie unterwegs, um alle Möweneier abzusammeln. Erst nach dem 6.Juni waren die Sturmmöwen in der Lage, durch Nachgelege noch für genügend Nachwuchs zu sorgen. Die Eier von des „Börgermester sin Höhner“ stellten eine Delikatesse dar und erzielten einen ordentlichen Preis zugunsten der Stadtkasse von  Heiligenhafen. Gekauft werden konnten sie in früheren Zeiten beim Hafenmeister, wo sie in der Regel immer schnell an die Heiligenhafener Bürger verkauft wurden. Ende der 60er Jahre kosteten die Eier ca. 30 Pfennig. In Spezialitätengeschäften - z.B. in Hamburg - musste man für das gleiche Ei aber schon mal bis zu drei Mark auf den Tresen legen. Ein findiger Heiligenhafener Geschäftsmann, der zwischenzeitlich die Konzession übernommen hatte, zweigte sehr zum Missfallen der Einheimischen nämlich einen Teil der gesammelten Eier ab.


Erst im Rahmen eines Flächentausches sowie hoher Pestzidbelastungen wurde das Eiersammeln eingestellt. Voraussetzung dafür war ein Flächentausch, bei dem das Naturschutzgebiet Graswarder 1978 in das Eigentum des Landes Schleswig-Holstein überging. Verbriefte Rechte wie das Eiersammeln konnten somit abgelöst werden. Die Bestandszunahme aller anderen Seevögel war ein guter Beweis für diese zukunftsweisende Entscheidung.

Sturmmöweneier (Photo Klaus Dürkop)
Sturmmöweneier (Photo Klaus Dürkop)

Mit der Vergabe der Konzession zum Eiersammeln an einen Fischhändler Anfang der 70er Jahre ging dann der Bestand wieder zurück Er hielt sich nicht an die traditionellen Sammelzeiten von Anfang Mai bis zum 6.Juni, sondern überschritt den Termin  bis zu zwei Wochen. Zu Nachgelegen konnte es unter diesen Vorrausetzungen kaum noch kommen. Erst durch die Eigentumsänderung konnte diesem Treiben ein Ende gesetzt werden.


1976 lag die Brutzahl bei 2.500 Paaren Ein weiterer Rückgang ist auf  Nahrungsmangel (Wegfall der Wiesenflächen) und dem vermehrten Auftreten von Predatoren (Fuchs und Marder) zurückzuführen. Heute liegt der Bestand bei 1.000 Paaren.

 

Einige Zahlen belegen die Bedeutung des Möweneiersammelns:
1914 wurden 21.770 Eier von Anfang Mai bis Anfang Juni gesammelt,

1920 = 76.992, 1930 = 49.979, 1939 = 37.600, 1947 = 3.657 (die restlichen bei Nacht und Nebel geklaut) 1950 = 10.681, 1960 = 19.900, 1965 = 41.242, 1968 = 29.325

Bestandszahlen der Sturmmöwe - Überblick: Die Höchstzahl der auf dem Graswarder brütenden Sturmmöwen lag bei etwa 5.500 Brutpaaren; im Einzelnen:
1934 = 3.340, 1935 = 4.400, 1936 = 4.585, 1937 = 4.092, 1938 = 3.609, 1939 = 4.110, 1948 = 1.000, 1950 = 1.500, 1952 = 2.000, 1954 =  2.500, 1956 = 2.800, 1958 = 3.365, 1960 = 4.000, 1962 = 4.200, 1964 = 5.000, 1966 = 5.500, 1968 = 5.300 (weitere Angaben: siehe Brutvogel-Tabellen)

Sturmmöwenkolonie (Photo Klaus Dürkop)
Sturmmöwenkolonie (Photo Klaus Dürkop)