Buchvorstellung "Küste im Wandel"

"Küste im Wandel" ISBN-13: 9783981592436
"Küste im Wandel" ISBN-13: 9783981592436

Dr. Erich Lüthje, einer der Autoren von dem Buch: "Küste im Wandel - NSG Graswarder" stellte am 27. März auf seine humorvolle Weise das Buch und seine Autoren mit dem folgenden Beitrag vor:


„Die Geschichte des NSG Graswarder begann 1965, als die Heiligenhafener Lehrer Erwin Patzelt und Klaus Dürkop im Namen des BfV (heute NABU) bei der Stadt  Heiligenhafen beantragten, das Nehrungsgebiet unter Schutz zu stellen.“

Das war vor 50 Jahren – es liegt also ein Hauch von Goldener Hochzeit in der Luft.

Sehen wir bei diesem Vergleich großzügig davon ab, daß am Anfang dieser Beziehung numerisch ein Dreiecksverhältnis bestand; mit freundlichem Einverständnis Erwin Patzelts reduziere ich es im folgenden auf die Partnerschaft Graswarder-Klaus Dürkop.

Bleibt immer noch das erstaunliche Phänomen, daß aus dieser Beziehung nach 50 Jahren eine Nachkommenschaft mit dem Geburtsgewicht von stolzen 1700 Gramm hervorgegangen ist – in rein menschlichen Zweierverbindungen eher ungewöhnlich! Immerhin – der Graswarder wirkt nach diesem halben Jahrhundert prächtig aufgeblüht und gleichsam verjüngt.


Klaus Dürkop sah nach all diesen Jahren den Zeitpunkt gekommen, seine naturkundlichen Erlebnisse und und praktischen Erfahrungen in der Naturschutzarbeit in einer umfassenden Dokumentation niederzulegen.

Die Planung begann vor ca. 2 Jahren, die Realisierung vor gut 1 Jahr. Er stellte für das geplante Buch ein Team von 9 Mitarbeitern zusammen, so daß sich insgesamt ein Zehnerkollegium an die Arbeit machte.

Es sollte ein bilderreiches Buch entstehen (ca. 2/3 Bilder, 1/3 Wort) mit anschaulichen, verständlichen und zugleich sachlich fundierten Texten. Wie sich alsbald herausstellte, bestand kein Magel an geeigneten Themen und Beiträgen; vielmehr stellte sich die Aufgabe einer sinnvollen Auswahl und weisen Beschränkung. Der Themenbogen spannt sich von der Entstehung der Nehrungsküste bei Heiligenhafen bis zur gegenwärtigen Ausprägung des Graswarders, vom Luftbild bis zum Mikrofoto, vom Spülsaum bis zum Windwatt, von der Düne bis zur Salzwiese – alles verteilt auf 1700 Gramm bzw. 350 Seiten.

Über die geologische Geschichte der Nehrungsküste informiert einleitend Kerstin Schrottke gleichsam aus erster Hand und auf dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis. Sie leitet an der CAU Kiel die AG Meeresspiegelanstieg und Küstenerosion und hat auf dem Graswarder Untersuchungen zur Nehrungsbildung durchgeführt. 

Norbert Fischer, Professor am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Hambuger Universität, porträtiert sodann die Geschichte des Badeortes Heiligenhafen – wozu er schwerpunktmäßig die einschlägigen Jahrgänge der „Heiligenhafener Post“ gesichtet und ausgewertet hat. Das verleiht seinem Bericht ein besonderes Flair.

Dr. Hans-Jürgen Stephan, wissenschaftlicher Mitarbeiter u.a. am LANU, nimmt den Leser mit auf eine Wanderung am Hohen Ufer entlang. An 11 Stationen erläutert er zu großformatigen Aufnahmen den wechselhaften Bau der Steilküste – unter gebührendem Einbezug auch des „Heiligenhafener Gesteins“ aus dem Obereozän sowie eines Überblicks über die Gesteinsarten am Strand. Ihm verdanken wir überdies als delikaten Einschub in die Geschichte des Badeortes Heiligehafen eine präzise Dokumentation des Zusammenschlusses von Stein- und Graswarder im Jahre 1955. Damals führte er als Schüler die maßgeblichen Vermessungen eigenständig durch. 

Auszug aus dem Kapitel "Das Hohe Ufer bei Heiligenhafen" von Dr. Hans-Jürgen Stefan
Auszug aus dem Kapitel "Das Hohe Ufer bei Heiligenhafen" von Dr. Hans-Jürgen Stefan

Die nächsten 952 Gramm unseres Buchwerkes gehen an Klaus Dürkop, dessen über 50jährigen Erfahrungen („Goldene Hochzeit“ einschließlich „Vorehelicher Beziehungen“ zum Gebiet) sich in den Kapiteln „Vogelwelt des Graswarders“ und „Pflanzenwelt der Nehrung“ niederschlagen. Es sind überaus reich bebilderte Darstellungen der Brut-, Zug- und Wintervögel einerseits sowie der Geländestrukturen Sandstrand, Strandwall, Düne und Salzwiese mit ihrer jeweiligen Vegetation andererseits. Eine (fiktive, also bei bestem Wetter stattfindende) Führung durch das Schutzgebiet macht die Besucher dabei mit den Schwierigkeiten und Erfolgen der Betreuungsarbeit vertraut und entspricht damit dem Hauptanliegen des Buches. Ebenso wie die schwankenden Zahlen der Vogelarten und ihres Bruterfolges repräsentiert die Vegetation des Schutzgebietes dessen wechselvolles Geschick. Beispielhaft wird verständlich, daß Parameter wie Beweidung, Füchse und Marder, Elektrozäune und Brutinseln den „Ertrag“ des Graswarders steuern, gemessen an der Zahl und Entfaltung seiner spezifischen Pflanzenarten und Brutvögel nebst ihrer Nachkommenschaft. Biotopmanagement in Gestalt der „Gelenkten Beweidung“ vermochte aus einer Steinwüste Dünen entstehen zu lassen, aus einer Queckeflur den bezaubernden Rasen blühender Strandnelken.

Auszug aus dem Kapitel "Vogelwelt des Graswarders" von Klaus Dürkop
Auszug aus dem Kapitel "Vogelwelt des Graswarders" von Klaus Dürkop

Auf zwei besondere Aspekte des Naturschutzes an unserer Ostseeküste geht das Buch –soweit ich sehe – erstmalig ein.

Zum einen:
Helge Schmeisky, em. Professor der Universität Kassel, stellt den „Einfluß des Meeresspiegelanstiegs auf die Vegetation“ dar. Hier findet der Leser eine Gegenüberstellung von Vegetationsaufnahmen aus den Jahren 1967 und 2008. Sowohl diese Karten als auch Fotos der Salzwiese belegen – um es kurz zu sagen – den Vormarsch von Meeresspiegel und begleitenden salzverträglichen Verlandungspionieren in vormaliges „Hochland“ mit den Kennarten der abgeschlossenen Strandwallbildung. Was noch vor 8 Jahren eine geschlossene Grasdecke war, zeigt sich heute als gleichsam vom Wasser zerfressenes Terrain mit einem Quellermosaik. Eindrucksvoller als an diesem Heiligenhafener Musterbeispiel kann der Wert eines „Naturschutzes mit langem Atem“ sowie seiner exakten Dokumentation wohl kaum dargestellt werden.

Zum anderen:
Kaum einem Besucher des Graswarders – und damit sind auch manche Experten gemeint! – kennt die anatomische Feinstruktur seiner pflanzlichen Charakterarten. Wieso kann die Flora des Strandes und der Salzwiese unter Bedingungen gedeihen, die jeder Garten- und Ackerpflanze den Garaus machen würde?
Es war mir vergönnt, dies anhand mikroskopischer Aufnahmen darzustellen und damit den Blick des Betrachters in eine Welt zu lenken, die dem unbewaffneten Auge zwar entgeht, zum besseren Verständnis der Anpassung an die speziellen Ökofaktoren des Schutzgebietes aber äußerst hilfreich ist. Es dürfte, wie bereits erwähnt, der erste Einblick dieser Art in die Vegetation eines Schutzgebietes sein – immerhin 212 Gramm.

Gleichsam die zwei Zonen-Randgebietes des Graswarders nimmt sich Dr. Ulrich Niermann vor, Meeresbiologe mit dem Blick auf marine Lebensgemeinschaften. Das sind im Falle unseres Schutzgebietes zum einen das seeseitige Flachwasser mit Seegras- und Tangbeständen, die u.a. für nahrungssuchende Seeschwalben, Enten und Säger wichtige Beutetiere enthalten, zum anderen das stadtseitige Windwatt,  wo z.B. der Schnabel des Säbelschnäblers das Schlickkrebschen findet. Überdies stellt dieser Autor die Meeresschutzgebiete um Heiligenhafen vor und macht die wohl überwiegend unbekannten Kürzel EGV und FFH verständlich – Gebiete, in denen sich Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale tummeln.

Manch einem mag ein Überblick über die “Käferfauna auf dem Graswarder“ zu speziell für ein Buch wie das unsere erscheinen. Indes macht Dipl.-Biologe Stephan Gürlich (Büro für koleopterologische Fachgutachten) mit berufener Feder (oder muß man heute sagen „mit berufenem Laptop“?) deutlich, daß die Existenz seltener und seltenster Käferarten auf dem Graswarder von Faktoren des Naturschutzes abhängt, die nicht eben populär und leicht vermittelbar sind: Es muß am Strand das Spülsaummaterial einschließlich der Kadaver liegen bleiben   - und stinken! – dürfen, und keine Spaziergänger sollten hier das filigrane Luftporengefüge des Feuchtsandes zertreten. Denn diese und weitere Substrukturen sind die Siedlungsvoraussetzungen für Käfer, die am geharkten Kurstrand keinen Platz haben. Exzellente Makrofotos von Roland Suikat (Preetz) untermalen dieses Plädoyer für einen Naturschutz, der auch mal gegen den Strich bürstet.

Es bleiben noch 48,5 Gramm Buchseiten für einen weiteren wichtigen Aspekt des Naturschutzes: Prof. Joachim Kadereit von der Universität Mainz führt regelmäßig den akademischen Nachwuchs auf den Graswarder. Immerhin wachsen hier mit Apium graveolens und Beta vulgaris Stammpflanzen unserer Kulturarten Sellerie, Zucker- und Futterübe, Rote Bete sowie Mangold. Krauser Ampfer und Strandkamille zeigen dem Evolutionsbiologen, daß deren Verbreitung durch die Meeresströmung Schwimmeinrichtungen an ihren Früchten und Samen gefördert haben. Hoffentlich wissen seine Eleven den Wert dieser Ausführungen zu schätzen und damit die Bedeutung eines Naturschutzgebietes im allgemeinen.

Bleibt zum Abschluß der Hinweis auf den Höhepunkt des Graswarders – der fraglos mit der Aussichtsplattform des Turmes gegeben ist. Wußten Sie schon ... daß die markante Silhouette dieser Konstruktion einen hockenden Vogel symbolisiert? Vielleicht – das sei mit aller Anerkennung gesagt – kommt nur ein Architekt wie Prof. Meinhard von Gerken auf solch eine Idee... Als (Mit-)Gestalter der Flughäfen Tegel und Moskau (jawohl!) sowie des Chinesischen Nationalmuseums setzte er seine Ehre darein, zu „sehr freundschaftlichen Geschäftsbedingungen“ dieses Wahrzeichen des Graswarders zu gestalten.

Wir hoffen mit Klaus Dürkop, dem Heiligenhafener Graswarder mit diesem Buch neue Freunde zu verschaffen und alten Bekannten, zumal den Mitarbeitern und Referenten unserer anderen Schutzgebiete an Nord- und Ostseeküste, eine lesens- und vielleicht auch nachahmenswerte Lektüre vorlegen zu können.-

Text: Dr. Erich Lüthje

Das Buch "Küste im Wandel - Naturschutzgebiet Graswarder-Heiligenhafen" ist erhältlich in der Station des NSG Graswarder oder im Buchhandel (ISBN-13: 9783981592436)

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