Wehrhafte Sturmmöwenkolonie

Wie erfolgreich die Sicherung einer Küstenvogelkolonie vor Prädatoren sein kann, zeigte der NABU im NSG Graswarder / Heiligenhafen. Auf einer Restfläche von knapp einem Hektar des ca. 230 Hektar großen Naturschutzgebietes brüteten neben Löffelente, Schnatterente und Austernfischer und Höckerschwan etwa 220 Sturmmöwenpaare in der Kolonie südlich des Naturzentrums.

 

Nach bisherigen Erkenntnissen zeichnet sich ein außerordentlich erfreuliches Ergebnis ab. Anfängliche Kälteeinbrüche verspäteten zwar um einige Tage den Brutbeginn, doch jetzt scheinen die Verzögerungen vergessen zu sein.

 

Die ersten Sturmmöwen waren am 4. Juni flügge.  Einbußen gab es zwar durch ein Silbermöwenpaar, das mit seiner cleveren Doppelstrategie immer mal Erfolg hatte. Während der eine bei seinen Angriffen größere Mengen an Sturmmöwen in der Luft auf sich zog, packte sich der Partner am Boden unbewachte Küken. Auch die Jungtiere der Silbermöwe mussten versorgt werden (siehe Foto). Die Verluste hielten sich aber in Grenzen. Selten überwanden Rabenkrähen den Verteidigungsschirm der Sturmmöwen. Solange die Brutkolonie groß genug war und ist, wehren sie sich mit Schnabel-und Flügelattacken und verhinderten damit das Eindringen in die eigentliche Brutzone.

 

Voraussetzung für den Erfolg waren letztlich wieder die E-Zäune und die Plastikfolien, die das Areal lückenlos gegen Igel, Marder und Füchse abgrenzen (siehe Fotos). Eine weitere Voraussetzung war darüber hinaus die tägliche Überprüfung der Zäune auf ihre Leitfähigkeit. Ein Stromausfall hätte bittere Folgen haben können. Sollen Maßnahmen am Ende von Erfolg gekrönt sein, bedarf es daher stets umfangreicher personeller Aufwendungen. Wir sind froh darüber, zwei  excellente Mitarbeiter für diese Aufgabe gefunden zu haben.

 

Übergriffe in Form von Zerstörungen der E-Zäune durch menschliche Zweibeiner konnten durch die weithin sichtbaren Wärmebildkameras verhindert werden. Sie decken den gesamten Raum um die Kolonie ab und machen Meldung, wenn ungebetene Gäste sich der Kolonie nähern.

 

Diese ersten Maßnahmen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bislang nur ca. 1% der Gesamtfläche des NSG von der Einzäunung profitiert. Auf allen anderen Flächen gehen der Eierklau, die Tötung von Jungvögeln etc. durch Prädatoren ungehindert weiter mit der Konsequenz, dass ansonsten überhaupt keine Jungvögel mehr flugfähig werden. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa 5-6 Jahren ist demnach abzusehen, wann die Küstenvogelkolonien auf dem Graswarder verwaist sein werden. Eine Ausnahme bildeten in diesem Jahr nur Graugänse. Bei ihnen gab es immerhin bei fünf Familien Jungtiere.

 

Die Negativbilanz war bereits im Frühjahr erkennbar, denn in diesem Jahr flogen allein bei den Säbelschnäblern wie auch bei den Küstenseeschwalben nur noch jeweils ein Paar überhaupt im NSG ein, Zwergseeschwalben und Flussseeschwalben blieben ganz aus. Bei den Austernfischern sank die Zahl der Brutvögel auf weniger als 50% des letztjährigen Bestandes ab. Die Gelege bzw. Jungvögel bei den Entenvögeln wie Brandenten, Schnatterenten, Löffelenten, Reiherenten oder Stockenten wurden bisher allesamt Beute von Füchsen und Mardern. Da auch der Marderhund im Gebiet aufgetaucht ist, muss seitens auch dieses Raubsäugers mit Verlusten gerechnet werden.

 

Wenn diese Entwicklung so weitergeht, müssen wir damit rechnen, den Bestand an Küstenvögeln gänzlich zu verlieren. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass der vorgesehene Schutz mit einem Zaun verwirklicht wird. Dazu ist eine großflächige Umzäunung mit einem Gitterzaun geplant, der vom Ministerium für Energie, Landwirtschaft und Umwelt  favorisiert wird.
 

Werden hiesige Politiker auf den dramatischen Rückgang bei der Brutvogelwelt angesprochen, bekommt man schon mal zur Antwort: „Na und, wozu brauchen wir denn Vögel“. Wertschätzung des Naturschutzes sieht anders aus! Für eine Reihe von örtlichen Entscheidungsträgern ist das Naturschutzgebiet offensichtlich nur eine willkommene Dekoration bei Werbemaßnahmen für den Tourismus.
 

Wer in diesen Tagen noch einmal quicklebendige Küken der Sturmmöwen erleben möchte, sollte ganz schnell an einer naturkundlichen Führung teilnehmen, vielleicht zum letzten Mal.

 

Text und Fotos: Klaus Dürkop

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